Interview mit Louisa Bolm zur Idee des Salons

Interview der Berliner Salonière Karoline Rütter mit Louisa Bolm zur Gründung des Lübecker Salons

Was war deine leitende Idee für die Gründung? In den letzten Jahren kam ich wiederholt immer wieder zufällig in Berührung mit Salonkultur. Beispielsweise waren insbesondere die französischen Salons für die Aufklärung ein ganz entscheidender Motor waren und haben damit letztlich einen so tiefgreifenden Umbruch wie die französische Revolution mit ermöglicht. Einige Salon-Forscher behaupten, die klassischen Salons endeten mit der Revolution, da sie das Ziel erreicht hätten. Diese Diskussion fand ich interessant. Wie politisch darf Salon sein? Darf sich ein Biedermeier-Salon überhaupt Salon nennen? Zum anderen hatte ich mit dir ein prominentes Vorbild in Berlin. Das war für mich ein erstes Anschauungsbeispiel, wie man heute einen Salon gestaltet. Ich war von Anfang an begeistert von deinem Salon und war dort gerne zu Gast. Heute sind wir einerseits nicht mehr in der Zeit der Aufklärung, andererseits ist es unverändert notwendig, sich konstruktiv Gedanken zu machen: Wie wollen wir unsere Zukunft gestalten? In diesem Zusammenhang geht es vor allem darum, über fachspezifische Themen hierarchieübergreifend und aus verschiedenen Perspektiven zu sprechen. Und weil es so etwas bisher nicht in Lübeck gibt, dachte ich, ich mache das jetzt mal!

Was versprichst du dir vom Salon als Gastgeber? Ziel ist es vor allem, dass Menschen aufeinandertreffen, die im Alltag so nicht zusammenkommen würden, und dadurch verschiedenste Anregungen geben und erhalten. Ich verspreche mir auch, dass jeder etwas aus dem Salon in seinen Alltag mitnehmen, und so die Ideen des Salons weitergetragen werden können. Es gibt natürlich auch Salons, die der Selbstdarstellung dienen. Aber mir geht es um einen gleichberechtigten Zirkel.

Welche Bedürfnisse seitens der Gäste erwartest Du und welche werden mit dem Salon adressiert? Ich glaube – zumindest haben das auch viele beklagt, mit denen ich dazu diskutiert habe – dass viele Veranstaltungen im kulturellen Bereich streng unilateral sind. Böse formuliert: Dass der Betrachtende rein konsumiert. Viele Salongäste sagen, dass es ihnen zu wenig ist. Sie wollen selbständig über Themen nachdenken und sich austauschen, nicht nur mit dem, mit dem man hingeht, und dem, der vielleicht neben einem gesessen hat. Derjenige, der etwas präsentiert, der vorträgt, muss sich im Salon auch einer Kritik stellen. Das ist für mich das zentrale Element, dass es nicht ein Von-oben-herab-Gebender ist, der als Referent in den Salon kommt, sondern dass der Vortragende integraler Bestandteil ist. Das macht den Charme des Salons aus.

Was assoziiert man mit dem Begriff „Salon“? Wie würde man ihn definieren? Im Prinzip steht für mich Salon ganz klar in der Tradition der Aufklärung. Er hat seine Wurzeln ursprünglich in Italien, und ist aus aristokratischen Zirkeln erwachsen. Aber letztendlich hat der Salon seine heute bekannte Form in der Zeit der Aufklärung entwickelt. Ich denke an drei entscheidende Grundpfeiler des Salons, die im Rahmen der Aufklärung entstanden sind: Frauen sind gleichberechtigt im Diskurs, es gibt keine hierarchische Ordnung der Diskutierenden, und Leitgedanke des Diskurses ist die Toleranz. Damit ist der Salon zwar weiterhin in der privaten Sphäre lokalisiert, aber trägt seine Leitgedanken über die Salongäste nach außen. Damit können gesellschaftliche Veränderungen angestoßen und gebahnt werden, und der Salon entfaltet weitgehende Wirkung. Dieses eigentliche Ziel ist für mich seit der Aufklärung unverändert gültig.

Würdest du den Salon als Akteur der Zivilgesellschaft betrachten? Ja, das würde ich auf jeden Fall. Ich glaube, es ist nicht ganz einfach, sich von einer klaren politischen Richtung zu distanzieren. Ich bin nicht frei von einer politischen Einstellung, und das ist wahrscheinlich auch gut so. Aber in einer Gesellschaft, die zunehmend in Gefahr ist, durch extreme politische Tendenzen gespalten zu werden, kann der Salon eine entscheidende Funktion einnehmen. Er ermöglicht den Blick über den Tellerrand, schafft ein konstruktives Diskussionsumfeld und zeigt Perspektiven auf, die jeder selbst mitentwickeln kann. Entscheidende Maxime ist Rosa Luxemburgs Credo: „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“. Damit wird der Salon zu einem wichtigen Organ der Zivilgesellschaft, vielleicht sogar für den zivilen Ungehorsam.

Werden Eintrittsgelder erhoben? Oder eine Spende erbeten? Eintrittsgelder möchte ich auf keinen Fall nehmen. Für die Diele wird ein geringer Betrag fällig. Für Referenten mit langer Anfahrt biete ich die Erstattung der Reisekosten über Salonspenden an, ein Honorar erhalten Referenten aber nie. Es ist wirklich ein Non-Profit-Salon.

Versprichst Du Dir vom Salon auch Meinungsverschiedenheiten oder fürchtest Du sie eher? Und weshalb? Letztendlich möchte ich sie unbedingt provozieren. Ich glaube, dass ein Salon sehr davon lebt, dass es verschiedene Meinungen und verschiedene Aspekte gibt. Man diskutiert nur angeregt, wenn es verschiedene Meinungen gibt. Es sollte Ziel des Salons sein, dass man auch mal was ganz Anderes hört. Es soll nicht so extrem sein wie bei einer Debating Society, wo es gerade darum geht, verschiedener Meinung zu sein. Niemand soll innerhalb von 5 Minuten eine geschliffene Meinung präsentieren, sondern es geht darum, einen toleranten Dialog aufrecht zu erhalten.

Manche Salonière begann ihren Erfolg damit, einen großen Namen, der aber gesellschaftlich schwer zu locken war, zu verpflichten, so wie Johanna Schopenhauer Goethe zähmte und Hester Thrale den großen Samuel Johnson. Gibt es auch solche inoffiziellen Stargäste, die wiederum Gäste ziehen? Es ist mir wichtig, dass ich von den Eingeladenen ein Bild habe, ob sie sich auf eine offene Diskussion einlassen können. Mir ist sogar daran gelegen, dass es gerade nicht Menschen sind, die einen gewissen Starruhm haben – sei es in intellektuellem Rahmen – sondern dass sie in dem, was sie tun, sehr gut sind und den Mut haben neu zu denken. Möglicherweise sind es auch gute Amateure. Es geht mir um das Thema, den gemeinsamen Diskurs, und nicht darum, eine große Berühmtheit zu präsentieren.

„Was ist interessanter als ein neuer Mensch?“ (Rahel Levin Varnhagen). Wie wichtig ist es, über den Salon neue Menschen kennen zu lernen? Ich habe schon die Hoffnung, dass sich der Salonkreis erweitert und auch mal ganz andere Menschen dazu kommen: Menschen, die aufmerksam werden auf den Salon; die ich einlade, die andere mitbringen. Deshalb habe ich den Gästen freigestellt, noch jemanden mitzubringen. Ein ziemlich interessantes Ziel eines Salons.